Samstag, 13. Februar 2010


Madame Vousèle singt das Lapujé (la prière, das Abendgebet) vor dem Schlafengehen, eine Tradition, die in Haiti üblich ist.

Madame Vousèle ist auch Mitarbeiterin in der Suppenküche von Theana Jeanbaptiste und hat sich in jeder Weise verdient gemacht um das Wohl der Menschen an der Plaza Jérémie in La Saline, dem Armenviertel am Hafen von Port au Prince.

Kinderdorf ‚Jardin des enfants’und medizinische Versorgung

Viele Menschen im Stadtkern sind unter Tonnen von Beton und Stahl eingeklemmt gestorben und liegen solange in ihren Betongräbern, bis der Schutt weggeräumt wird. Die Davongekommenen haben sich auf freie Plätze geflüchtet, die meisten davon mit mehr oder weniger starken Verletzungen. Soweit diese nicht in Spitäler und Notkliniken behandelt werden konnten, sind sie in der Stadt geblieben und liegen nun dort, nur spärlich gegen Sonne und Regen geschützt.
http://www.youtube.com/watch?v=yHEJD8mb4aA

Frau Dra, Junette hat sich bei meiner ersten Hilfsfahrt vom 16.-19. Januar spontan bereiterklärt, mit den medizinischen Mitteln, die ich in drei Kisten mitgebracht hatte, eine Sofortversorgung auf der Plaza Sta. Ana und im Stadtteil La Saline vorzunehmen.
Auf der Plaza Sta. Ana neben der gleichnamigen eingestürzten Kirche biwakieren seit dem Erdbeben eine Vielzahl obdachloser verletzter Menschen, als einzige Bleibe, nachdem ihre Wohnungen zerstört wurden. Zur zweiten und dritten Hilfsfahrt hatte sie mir weitere Listen mit Medikamenten mitgegeben, die ich ihr dann mitbringen konnte.

Sobald sich das Leben soweit normalisiert, dass die Wunden verheilt sind, möchte sich Dra. Junette weiter um die medizinische Versorgung im Stadtteil La Saline und bei den Kindern im Kinderdorf von Pastor Josef kümmern.

Mehr als zweihunderttausend Menschen sind beim Erdbeben in Port au Prince ums Leben gekommen. Viele Kinder haben ihre Eltern oder mindestens ein Elternteil verloren. Ihr Leben hat sich dadurch radikal verändert. Sie haben ihre familiären Wohnbedingungen verloren und sind eigentlich heimatlos geworden.
Ganz spontan hat Pastor Josef, dessen Kirche in La Saline eingestürzt ist, nach dem Erdbeben in seiner eigenen noch gut erhaltenen Hausanlage mit Garten im Stadtteil Cressin etwa 50 Kinder zwischen 6 und 14 Jahren aufgenommen, wo sie tagsüber betreut wohnen, spielen und lernen können. Nachts gehen sie zum Schlafen zu ihren Schlafplätzen bei Familienangehörigen und Nachbarn. Sein baumbesetzter Garten ist von ihm zum ’Jardin des enfants’ umfunktioniert worden.
Port au Prince ist eigentlich eine Felsen-, Stein- und Geröllwüste. Daher ist der Begriff Garten auch als Steingarten zu verstehen, der mit Sand noch etwas lebensfreundlicher und spielwürdiger gemacht werden könnte. Aus den mitgebrachten Plastikplanen wurde hier ein Aufenthaltshaus gebaut mit einer Grundfläche von immerhin etwa 30 m2 mit einem grossen Tisch in der Mitte und jedes Kind hat sein eigenes Stühlchen zum Essen. Sie haben es eigentlich doch noch besser, als die Kinder von La Saline, die zumeist auf dem Boden essen, leben und schlafen.

Ich habe mich davon überzeugen können, dass die Kinder unter der Leitung von Pastor Josef und Dra. Junette gut versorgt sind, ihre täglichen Mahlzeiten erhalten und hier miteinander in einer Kindergemeinschaft leben können.

Dieses betreute Wohnen der Kinder erfordert Mittel von min. 1.70 USD pro Kind und Tag. Das sind zurzeit bei 50 Kindern 2550 USD jeden Monat. Ob weitere Kinder aufgenommen werden können, hängt von der zugeführten Hilfe ab. Als Sofortmassnahme habe ich aus den mir übertragenen Hilfsgeldern 1000 USD an Pastor Josef für die von ihm aufgenommenen Kinder gegeben und in der Folge aus den Spendenhilfen noch einmal 800 USD. Dies reicht bis zum 17. Februar.

Am 18. Februar benötigt das Kinderdorf erneut eine weitere finanzielle Hilfe. Letztlich muss aber hier eine definitive Lösung gefunden werden.

Es werden regelmässige Mittel für das Kinderdorf ‚Jardin des enfants’ im baumbestzten Garten von Pastor Josef in der Steinwüste von Port au Prince gebraucht, um lebensfähig sein zu können. Es wird eine Trägerschaft gesucht, die diese dankbare Aufgabe übernehmen möchte.

Die vorhandenen Mittel reichen bis zum 17.Februar 2010

Wiederaufbau: Hilfe zur Selbsthilfe

In der Stadt Port au Prince ist der Stadtkern durch das Erdbeben in Schutt und Asche gelegt, nicht bewohnbar und nicht funktionsfähig. Bei Nacht sieht man auf der Zufahrtsstrasse von der Dom.Rep. her kilometerlange amerikanische Riesenkonvois mit Schuttbeseitigungs-, Lade- und Transportfahrzeugen, überdimensionale Stromversorgungsaggregate, Beton- und Kiesaufbereitungsanlagen, die in der Hauptstadt von Haiti gebraucht werden. Der Hafen von Port au Prince ist offensichtlich zu gering belastbar, sodass dieses Hilfsgut über den Nachbarhafen von Santo Domingo zugeführt werden muss.
Als Bauingenieur gehe ich davon aus, dass der gesamte Stadtkern geräumt und unter Restaurierung historischer Bauten gemeinsam mit einem neuen Hafen und einer Erneuerung des Flughafens in den nächsten Jahren total neu wieder aufgebaut wird. Dies wird Arbeit in Hülle und Fülle für die arbeitswilligen haitianischen Männer bedeuten, eine grosse Chance für die (jetzt) arbeitslosen Haitianer.

Im Stadtgebiet La Saline am Hafen von Port au Prince müssen etwa 20% der Häuser total neu gebaut und etwa die Hälfte der Häuser instandgesetzt werden, um annähernd wieder funktionsfähig zu sein. Weil hier ja keine so spektakulären Einstürze vorliegen, wird es hier zumeist um Instandsetzung und um erdbebensicheres Bauen gehen.

Im Sinne von Hilfe zur Selbsthilfe scheint es mir hier sinnvoll, die arbeitslosen Menschen mit den Erhaltungs- und Renovationsarbeiten zu betrauen und ihnen Zement, Sand und Kies, Steine und Schalmaterial zu geben, um ihre eigenen Häuslein wieder aufzubauen. Für ihre Arbeit müssen sie ein Entgelt erhalten, das sie in die Lage versetzt, ihren Lebensunterhalt wieder selbst zu bestreiten.

In La Saline gibt es etwa 3000 Häuser, wovon etwa 500 zerstört und weitere 1000 ernsthaft geschädigt sind, sodass sich bei diesen ein Neubau aufdrängt. Von den hier wohnenden etwa 15 000 Menschen dürften nach meiner Schätzung etwa die Hälfte auf der Strasse wohnen und leben. Ein erforderliches Wiederaufbauprogramm müsste m.E. von einem Wiederaufbauwillen der Menschen getragen sein und im Sinne von Hilfe zur Selbsthilfe vor einem Hilfsprojekt gefördert und unterstützt werden. Zudem müssen die untragbaren kloakenartigen Dorfbäche verrohrt und mit Spüleinrichtungen versehen werden aus dem in geringer Tiefe vorhandenen Meerwasser.

Wie kann La Saline wieder aufgebaut werden?

Für den Wiederaufbau des Stadtzentrums von Port au Prince ist eine umfangreiche Schuttbeseitigungs- und Neubaumaschinerie angelaufen.

Die nicht so spektakulär geschädigten Aussenbezirke und Stadtteile wie La Saline haben bisher wenig Hilfe grosser Organisationen erhalten. Es ist zu befürchten, dass auch der Wiederaufbau gleich stiefmütterlich behandelt wird, weil die Hauseinstürze nicht so spektakulär abgelaufen sind, doch ist auch hier eine Wiederaufbauhilfe unerlässlich.

Der Vorteil dieses Stadtgebiets liegt darin, dass arbeitsfähige und arbeitswillige Haitianer nur darauf warten, mit anzupacken und ihre Häuslein wieder aufzubauen.
Hier werden für eine nachhaltige Hilfe Zement, Sand, Kies und Steine benötigt - und die Männer von Las Saline werden ihre eigenen Häuser wieder aufbauen und die miserablen Verhältnisse in ihren Strassen unter Anleitung fachgerecht beseitigen.